Haushaltsrede im Kreistag Esslingen

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Marc Dreher, stellv. Fraktionsvorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Esslingen

Sehr geehrter Herr Landrat,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach langen und teils mühevollen Diskussionen steht heute die Verabschiedung des Haushalts an. Es waren meines Erachtens intensive Verhandlungen, welche nun mal auch in einer besonders intensiven Zeit stattfanden. Lassen Sie mich anfangs ein paar Worte dazu sagen.

Die Corona-Krise hat uns vor bisher unbekannte Herausforderungen gestellt. Doch jede Krise birgt auch immer die Chance der Umkehr und des Neustarts.

Im Angesicht von Corona, erleben wir eine zusätzliche Verschränkung multipler Krisen: Die des menschengemachten Klimawandels, der sich verschärfenden sozialen Ungleichheit und damit zusammenhängend eine Krise der Demokratie.

Wenn wir etwas aus der Corona Krise lernen, dann doch das, dass wir Krisen auch wie Krisen behandeln können! Wir können daraus die Erkenntnis schöpfen, dass wenn der politische Wille da ist, tiefgreifende Veränderungen gesellschaftlicher Verhältnisse plötzlich möglich sind. Dass alte Gewissheiten nicht mehr gelten. Gerade in Bezug auf den Klimawandel und der sozialen Frage, sollte diese Erkenntnis unser politisches Handeln zukünftig prägen.

Zu diesen alten Gewissheiten zählt zum Beispiel das Dogma der schwarzen Null, welches zu Gunsten einer keynesianischen Investitionspolitik aufgegeben wurde. Das über Jahre hinweg staatliche Infrastruktur vernachlässigt wurde, wird besonders in so einer Krise deutlich. Dass wir zum Beispiel die Bundeswehr im Gesundheitsamt einsetzen müssen, was man aus verschiedenen Gründen kritisch sehen kann, liegt doch vor allem daran, dass die Gesundheitsämter in den letzten Jahren kaputtgespart wurden. Diesbezüglich hoffen wir, dass in Zukunft massive Investitionen in eine krisenfeste öffentliche Daseinsvorsorge seitens des Bundes getätigt werden. Einen ersten Vorgeschmack davon spüren wir auch positiv in Form der finanziellen Überschüsse in unserem Haushalt auf Kreisebene.

Deswegen unterstützen wir den Vorschlag der Fraktionen der Freien Wähler, CDU, SPD und FDP, die Kreisumlage auf 30 Punkte zu senken, um die Kommunen in dieser schwierigen Zeit zu entlasten.

Wenn ich nun auf die Beratungen des letzten Monats zurückblicke, gab es wie immer Licht und Schatten. Positiv erwähnen möchte ich an dieser Stelle das verabschiedete Aktionsprogramm für Demokratie und Toleranz des Landkreises, welches auf Antrag unserer Fraktion, sowie der SPD-Fraktion erstellt wurde. Ich denke wir machen damit einen wichtigen Schritt zur Präventionsarbeit gegen den Rechtsextremismus, wenngleich diese Schwerpunktsetzung nicht mehr ganz so erkennbar ist, wie von uns gewünscht. In der Verhandlung habe ich betont, dass die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus historisch, ideologisch und empirisch falsch ist. Ich möchte dies hier nicht weiter vertiefen. Die jüngsten Entwicklungen zeigen eindeutig, dass vom Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie ausgeht. Dieses Ungleichgewicht der verschiedenen Extremismen muss sich prioritär in so einem Programm wiederspiegeln, was zum Teil auch der Fall ist. Wir unterstützen deshalb die Verwaltung bei der weiteren Konzeption des Programms.

Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben das nächste Thema ja schon in ihrer Rede angeschnitten. Das wir heute nochmals über einen Antrag zur Erhöhung der Mietobergrenzen entscheiden müssen, hat in unserer Fraktion gewissen Unmut erzeugt. Das Prozedere, welches heute zumindest seinen vorläufigen(!) Abschluss findet, war gelinde gesagt suboptimal. Ich möchte für meine Fraktion betonen, dass die 3,6% keineswegs das Ende der Fahnenstange sind. Angesicht rasant steigenden Mieten von teilweise 15-20% ist dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein für die betroffenen Menschen. Diese Diskrepanz ist ein untragbarer Zustand und sorgt in den betroffenen Milieus nur für weiteren Politikverdruss und Frustration. Der Landkreis wird hier seiner Fürsorgepflicht gegenüber der ärmeren Bevölkerung nicht gerecht.

Und eines möchte ich in diesem Zusammenhang auch sagen: In den Beratungen wurde immer wieder betont, dass der Ablehnung des Antrags keine monetären oder politischen Erwägungen zu Grunde liegen. Angesichts der immer wieder genannten falschen Behauptung, wonach eine Erhöhung der Mietobergrenzen gleichzeitig das Mietniveau erhöhe, eine Behauptung welche die Liga der freien Wohlfahrtspflege schon vor einem Jahr in einer Studie widerlegt hat, frage ich mich schon, ob dies tatsächlich nur rein formale Gründe für die Ablehnung waren, oder der politische Wille bei einigen in diesem Gremium schlicht nicht vorhanden ist.

Ebenso wurde vergangenen Samstag bekannt, dass Daimler die Produktion von Kurbelwellen nun doch nach Polen verlegt, anstatt diese hier in der Region zu produzieren. Als Grund wurden (offiziell zumindest) fehlende Flächen genannt. Ob das nun der wahre Grund ist, oder tatsächlich Kosteneinsparungen dahinterstecken, wie aus dem Betriebsrat zu hören ist, sei mal dahingestellt. In unserem Antrag zum Flächenrecycling haben wir die Verwaltung aufgefordert, dass „die Wirtschaftsförderung des Landkreises beauftragt wird, bei Industrieflächen, die stillgelegt werden sollen, auf die jeweiligen Unternehmen und Kommunen zuzugehen, um zu beraten, wie eine Wiederverwertung dieser wertvollen Flächen möglich ist.“ Die aktuelle Diskussion zeigt also, wie wichtig solche Maßnahmen der Innenentwicklung sind, damit aktive Industriepolitik mit Naturschutz vereinbar wird. Hier erwarten wir, dass der Landkreis zukünftig mit gutem Beispiel vorangeht.

Nun komme ich zu den weniger erfreulichen Ergebnissen der Haushaltsberatungen.

Dass im Sozialausschuss die beantragten Budgeterhöhungen der Antidiskriminierungsstelle Esslingen und Refugio abgelehnt wurden, ist wirklich bedauerlich. Leisten diese beiden Träger doch immens wichtige Arbeit für den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt im Landkreis. Uns bleibt jetzt nur zu hoffen, dass dieser finanzielle Wegfall sich nicht zu sehr negativ oder sogar existenziell auf die Arbeit auswirkt.

Unsere Kritik bezieht sich ebenfalls auf die geplante Tariferhöhung im VVS. Es fehlt hier schlichtweg der Mut für eine innovative und soziale Preisgestaltung im öffentlichen Nahverkehr, gerade in einer Region, in der die Nutzer*innen sowieso schon über Gebühr an der Finanzierung beteiligt sind. Auch in Bezug auf die Ablehnung des von uns beantragten 365€ Tickets fehlt Weitsichtigkeit und Einsicht in die Notwendigkeit solcher Instrumente angesichts von Fragen des Klimaschutz und der sozialen Gerechtigkeit.

Es lässt sich zusammenfassen, dass bei den entscheidenden Fragen des sozialen Zusammenhalts, einer konsequenten Mobilitätswende und damit zusammenhängenden Klimaschutz uns im Haushalt 2021 ein roter Faden für eine soziale und nachhaltige Zukunft fehlt. Am Anfang der Rede habe ich betont, welche Erkenntnisse wir aus dieser Krise schöpfen sollten. Zwar sehen wir durchaus, dass Schritte in die richtige Richtung unternommen werden, doch reichen diese angesichts der Herausforderungen unserer Zeit nicht aus.

Deswegen werden wir dem Haushalt nicht zustimmen können.

Trotzdem bedanke ich mich an dieser Stelle bei der Verwaltung für die geleistete Arbeit und wünsche Ihnen eine erholsame und gesunde Weihnachtszeit. Vielen Dank.