Ein Motto, unter das wir unsere Stellungnahme und unsere Anträge zum Haushalt 2019 gestellt hatten, war die Sorge um den gesellschaflichen Zusammenhalt. Dies hatte auch Landrat Eininger bei der Einbringung des Haushalts thematisiert.
Dies ist nun der letze Haushalt, den dieser Kreistag berät und beschließt. Uns steht das Etatrecht zu, das man auch „Königsrecht“ des Parlaments nennt. Dieses Königsrecht mussten sich die Bürger ja über die Jahrhunderte gegen Könige, Adel und Kirchenfürsten erkämpfen. Erst vor hundert Jahren wurde das aktive und passive Wahlrecht auch auf Bürgerinnen ausgedehnt. Bis dahin hatten Frauen, die Hälfte der Bevölkerung, keine rechtlich verfasste Mitsprache in der Politik. Die Novemberrevolution von 1918 hat also Frieden, die Überwindung des Feudalismus, die Republik und mehr demokratische Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger, mit sich gebracht.
Unser Gremium wurde 2014 leider von weniger als 50% der Wahlberechtigten gewählt. Dies ist äußerst besorgniserregend. Wir müssen uns fragen welche Ursachen dies hat. Alle Untersuchungen weisen darauf hin, dass diejenigen zur Wahl gehen, die den Eindruck haben, dass sie damit ewas bewirken können, dass die Politiker, die sie wählen, in der Tat in ihrem Interesse tätig werden. Die Enttäuschten, die unten, die Armen, die Obdachlosen, die, die im Schatten stehen, die Ohnmächtigen haben die Hoffnung aufgegeben, dass sich etwas zu ihren Gunsten ändern liesse. Sie gehen nicht mehr zur Wahl.
Der Landkreis gibt insgesamt viel für Soziales aus; auch über das hinaus, was nur Pflichtaufgaben wären. Dies ist auch gut so. Es ehrt eine Gesellschaft, wenn die starken Schultern auch diejenigen mittragen, die dazu noch nicht oder nicht mehr in der Lage sind – seien dies Kinder, Heranwachsende, Behinderte, Geflüchtete, Kranke, Arbeitslose oder Ältere. Wir alle sind bisher und wir alle werden zukünftig von der öffentlichen Daseinsvorsorge in der einen oder anderen Form mitgetragen.
Es gab eine Reihe von Anträgen zum Haushaltsplan, die den Sinn hatten, mit kleinen freiwilligen Beiträgen denen zu helfen, die sie am nötigsten brauchen würden. Es waren dies z.B. die Tafelläden oder die Beratung von Frauen, die von Gewalt bedroht sind oder sie bereits am eigenen Leib erfahren haben. – Dass dieses Thema leider noch lange aktuell bleiben wird – weltweit und bei uns – belegen sowohl die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Jesidin Nadia Murad und an den kongolesischen Arzt Denis Mukwege als auch die Zahlen, die der Paritätische Wohlfahrtsverband am Montag für das Land vorgelegt hat. – Beide Anträge wurden von der Verwaltung und der Mehrheit im betreffenden Ausschuss abgelehnt. Die neuen Mietobergrenzen für Empfänger von Leistungen, die gegen unsere Stimmen im Juli beschlossen wurden, sind in vielen, vor allem den größeren Kommunen, gegenüber bisher abgesenkt worden. Und dies trotz horrend steigender Mieten. Auch hier trifft es vor allem die Armen. Unser Antrag, der Landkreis möge selbst in die Herstellung von bezahlbarem Wohnraum einsteigen, wurde abgelehnt.
Auf der anderen Seite werden z.B. bei dem „bestgeplanten Projekt Stuttgart 21“ Milliarden hinausgeworfen, die sinnvollerweise durch einen Baustopp eingespart werden könnten. Schon jetzt muss für Hunderte von Millionen dort, wo der Pfusch offensichtlich geworden ist, in Feuerbach, am Flughafen, in Wendlingen, beim Einkauf zusäzlicher Züge, Ausrüstung mit digitaler Signaltechnik und an anderen Stellen, nachgebessert und repariert werden. Dafür wird auch der Landkreis über die Region zur Kasse gebeten werden.
Die gesetzlich vorgeschriebene Sonn- und Feiertagsruhe ist sowohl für die Arbeiter in Grabenstetten und auf der Baustelle bei Kirchheim, als auch für LKW-Fahrten im Lenninger Tal außer Kraft gesetzt. Dieser Zustand bringt Lärm, Dreck, Staub und gesundheitliche Gefahren für Tausende Bürger mit sich. Er gilt nicht nur für eine Fahrt an einem Sonntag sondern für Hunderte von Fahrten und mindestens zehn Monate lang. Die Verwaltung sieht hier leider keinen Handlungsbedarf.
Allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass es Gründe gibt, die zur Entmutigung und Verdrossenheit von Menschen beitragen können, die nichts mehr von Politik oder Demokratie wissen wollen. Sie zeigen auch, dass wir den Zusammenhalt der Gesellschaft nicht nur fordern sollten; sondern diese Forderung auch in die Tat umsetzen müssten. Für uns als LINKE Fraktion bedeutet es, dass wir dem Haushalt in der vorgelegten Form nicht zustimmen können. Wir danken dennoch Frau Kämmerin Dostal, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die fachgerechte und umfangreiche Ausarbeitung; als auch allen Beschäftigten des Landkreises, die die verschiedenen, vielfältigen öffentlichen Dienstleistungen für uns alle sicherstellen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld beim Zuhören. Uns allen wünsche ich erholsame, besinnliche und friedliche Advents- und Weihnachtstage und vor allem, dass der neugewählte Kreistag es im nächsten Jahr besser machen möge!
Reinhold Riedel, 10. Dezember 2018