Regionalrat Peter Rauscher sprach am 25. April 2018 in der Regionalversammlung zur Wohnraum-Allianz Baden-Württemberg:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Frau Regionaldirektorin, meine Damen und Herren,
„Wohnen ist ein Menschenrecht!“ so fordert fast flehentlich eine Kapitelüberschrift der aktuellen Zeitschrift der Caritas Fils-Neckar. Wohnen ist ein gesellschaftliches Basisgut und laut Europäischer Sozialcharta ein Menschenrecht, weil jeder Mensch auf Wohnung angewiesen ist. Dies alles nutzt aber nichts, wenn Wohnungen sich verknappen, und ungehinderte radikale Marktgesetze die Mieten und Immobilienpreis explodieren lassen. Eine Substitution, wie sie bei vielen Gütern möglich ist, lässt sich nur schwer realisieren. Es sei denn, man erklärt Wohnungslosigkeit zu einer solchen Möglichkeit!
Diese etwas zynische Formulierung ist für immer mehr Menschen Realität. 2014 waren mehr als 30.000 Menschen in Baden-Württemberg wohnungslos. Allein im Landkreis Esslingen waren es über 2.800 Personen. Auch Mieter haben es nicht leicht: arme Haushalte müssen fast 50 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen bezahlen!
Politik muss auf allen Ebenen diesen Skandal– vor allem in einer prosperierenden Region – beheben. Und dies bedeutet die Wohnungsknappheit mit öffentlich finanzierten und bereitgestellten Wohnungen zu beseitigen. Dem stehen jedoch privatwirtschaftliche Profitinteressen von Wohnungsunternehmen und anderen entgegen. Diese haben nicht das geringste Interesse der bestehenden Knappheitssituation entgegenzuwirken. Das Gegenteil ist der Fall, je knapper der Wohnraum, umso höher fallen die Profite aus!
Nun liegen die Ergebnisse der „Wohnraum-Allianz Baden-Württemberg“ vor. Mit einigen der Vorschläge sind wir durchaus ein verstanden. Selbstverständlich muss die Landesbauordnung novelliert werden. Lieber Kollege Kessing, eine gute Rede, aber es war der SPD-Finanzminister Schmied, der 20 000 Wohnungen der LBBW an eine Heuschrecke verscherbelt hat.
Aber vor allem werden die Mieten und Preise durch Spekulation mit Grundstücken, mit erschlossenen Baugebieten und mit Wohnungen nach oben getrieben. Wer Wohnen und Bauen bezahlbar machen will, der müsste dafür sorgen, dass Spekulation mit Häusern, mit Grund und Boden gestoppt wird.
Wir brauchen eine soziale Kehrtwende in der Wohnungspolitik, und dies vor allem im kommunalen und genossenschaftlichen Wohnbau. Fördermittel für den Sozialmietwohnraum, wie von der Allianz gefordert, sind bestenfalls kurzfristige Lösungen, so lange eben die Sozialbindung gilt, bis die Wohnungen auf den Markt kommen.
Es geht auch nicht um bauen, bauen, bauen. Sondern es geht darum für wen gebaut wird – für den Normalverdiener muss bezahlbarer Wohnraum in den Städten geschaffen werden.
Seit Dezember 2013 gilt auch hier im Land das Gesetz zum Zweckentfremdungsverbot. Keine einzige Kommune im Land, in der Region hat bisher dieses Mittel ausreichend genutzt. Wurde wie in Stuttgart auf unseren Druck hin eine Zweckentfremdungsverbotssatzung eingeführt, dann wurden nicht die nötigen Stellen geschaffen. In München hingegen wurden knapp 400.000 Euro Bußgeld verhängt und 244 Wohneinheiten dem Mietmarkt zurückgegeben. Daher muss dieses Gesetz nicht neu evaluiert werden, wie es die Allianz fordert, sondern es muss endlich angewandt werden. Auch so kann Wohnraum wieder entstehen.
Würden Dichtewerte nicht nur eingehalten sondern um ca. 20 % erhöht, dann wären wir auf dem richtigen Weg! Denn: Das Einfamilienhaus im Grünen ist das Problem, nicht die Lösung! Dann wäre es möglich, Wohnraum zu schaffen und man müsste nicht, wie die Allianz fordert, die erweiterten Möglichkeiten für Bürgerbegehren evaluieren, um zeitlich Verzögerungen bei Bauleitplanung zu verhindern!
Denn man muss nicht auf die grüne Wiese gehen, um Wohnraum zu schaffen. Es gibt viele kreative Beispiele und Möglichkeiten. Einige Kommunen machen es vor! In Baden-Württemberg besteht z.B. ein Potential von bis zu 350.000 zusätzlichen Wohnungen, die nur durch Aufstockungen entstehen könnten.
Erfreut sind wir auch darüber, dass eine Arbeitsgruppe unserem Antrag aus dem Jahre 2015 folgen will, die Einführung eines regionalen Kompensationsmanagements nach dem Beispiel der Region Bodensee-Oberschwaben zu fordern. Ziel muss also sein, wie wir es beantragt haben, aus dem Forschungsprojekt RAMONA zügig ein funktionsfähiges Instrument zu machen.
Es geht um ein Menschenrecht, es geht um bezahlbaren Wohnraum, es geht um unsere lebenswerte Region. Springen wir über unsere Schatten und packen wir es kreativ an! Denn wie sagte doch der Philosoph Johann Gottfried Herder: „Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie.“